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Dem Leben eine Form geben von

© Ariane Grabher

Albrecht Zauner mit „was ist“ im Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis

Erstaunlich, aber wahr: Die Schau „was ist“, die am 29. November im Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis eröffnet wird, ist die erste Einzelausstellung des Bildhauers Albrecht Zauner ebenda. „was ist“ vereint jüngste Werke und Arbeiten aus den vergangenen Jahren und fokussiert mit Skulpturen und Reliefs in Stein, Beton und Bronze, mit aktuellen Zeichnungen sowie einem Film auf einen breit angelegten Werkausschnitt. Neben Erdgeschoß und Keller bespielt der Künstler auch den Außenbereich mit einer Skulptur.

Mit der finalen Ausstellung im Künstlerhaus, die Albrecht Zauner besonders am Herzen liegt, schließt der 1962 in Lindau geborene, in Lustenau lebende und arbeitende Bildhauer ein arbeitsames und erfreuliches Jahr gebührend ab: Zauner, der in der Meisterklasse des Wotruba-Schülers Joannis Avradmidis an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert hat und neben seiner freien Arbeit seit 1989 auch immer wieder an Wettbewerben für öffentliche Aufträge, vor allem aber für Sakralräume, teilnimmt, konnte 2024 nämlich gleich zwei Ausschreibungen für Kirchenraumneugestaltungen für sich entscheiden.  Neben dem 1. Preis für die Gestaltung „der neuen Mitte“ für die Basilika in Weingarten, hat er mit dem 1. Preis und der Ausführung von Altar und Ambo (Fertigstellung 2026) auch bei einem wegweisenden Projekt in Stuttgart-Fasanenhof den Zuschlag bekommen. Dort rücken im reorganisierten Kirchenbau St. Ulrich, geprägt durch die prächtigen Buntglasfenster von Lothar Quinte und Markus Prachensky, künftig sakrales Leben und Gemeindeleben zusammen. Zudem war Albrecht Zauner diesen Sommer mit der großen Marmorskulptur „connected“ an der Landesgartenschau 2024 in Wangen im Allgäu vertreten.

 

Findlinge aus Südtirol und dem Would
Freiluft und mit einer ungewöhnlichen Arbeit auch der Prolog zur Ausstellung im bzw. vor dem Bregenzer Künstlerhaus: In Beton, in frühlingshaft- leichtem, hellem Gelb lackiert, steht dort der Abguss der Skulptur „drehmoment“, die seit 2019 den Kreisverkehr in Egg im Bregenzerwald akzentuiert. Im Haus selbst zieht das jüngste Werk Zauners unmittelbar Aufmerksamkeit und Blick auf sich. Schlicht mit „sein“ betitelt, kehrt der Künstler hier zu seinen Wurzeln, zum klassischen Bildhauermaterial, dem Stein, zurück. Dabei sind es genau zwei Lieblingssteine, die Zauners Herz höherschlagen lassen. Neben dem Passeirer Marmor mit seiner grob-kristallinen Struktur und dem leichten Glitzern, ist es der heimische, dunkle Mellauer Kieselkalk, der ebenso wie sein helles Südtiroler Pendant nur als Findling vorkommt. Von unglaublicher Härte, erfordert die Bearbeitung des Bregenzerwälder Steins Kraft, schweres Gerät und viel Fingerspitzengefühl. Läuft alles gut, offenbart der polierte Kieselkalk das Geheimnis einer satten, samtig-mattschwarzen Oberfläche, gelegentlich von hellen Adern durchzogen. Formal schließt „sein“ mit elegantem Schwung an eine Reihe von Werken an, die sich – im wahrsten Sinn – um das für Zauner längst nicht ausgereizte Thema Tanz und Bewegung drehen. Auch hier bringt der Bildhauer das Kunststück zuwege, tonnenschwere Materialmasse in schwebende Leichtigkeit zu transformieren, sodass man das Gefühl hat, die solide, gut ausbalancierte Skulptur durch ein bloßes, leichtes Antippen ins Schaukeln versetzen zu können.

Mit einer Reihe von ikonenartigen Porträts, als Reliefs gearbeitet, hat sich Albrecht Zauner 2020, während des Lockdowns, als die Zeit stillzustehen schien, einer für ihn bis dato neuen Werkserie und Bildsprache zugewandt. Die in verschiedenen Formaten entstehenden Reliefs tragen poetische Titel wie „Ich möchte die Sterne aus deinem Antlitz pflücken“ oder heißen auch einfach nur „Übergang“ oder „Singen“. Im Relief findet Zauner eine Mischung aus Bildhauerei und Malerei vor, umso mehr, als er zuletzt auch akzentuierende Acrylfarbe ins Spiel bringt. Vor allem aber erlaubt ihm dieses flexible und im Vergleich zur Vollfigur ungleich handlichere Format im Abschleifen und Aufrauhen, in den Höhen und Tiefen des Steins, ein experimentelles Vorgehen.

 

Verdichtungen und mehr
Noch freier und schneller agiert der Künstler im Medium Zeichnung, das in Werk und Schau viel Raum einnimmt. Zeichnen ist unabdingbar mit der Bildhauerei und dem menschlichen Körper verbunden, wenn Zauner seinen Lehrer an der Akademie, Joannis Avramidis, zitiert: „Zeichnen Sie zuerst zehn Jahre, dann können Sie etwas anderes machen!“ In großen Formaten, bis hin zu Papierrollen, die stückweise und fortwährend, an das aufgerollte Vorangegangene formal oder inhaltlich anschließend, be-zeichnet werden, hält Zauner den Moment fest, fixiert eigenwillige Posen, perspektivisch verzerrte Körper und extreme Verrenkungen seines Modells ebenso momenthaft auf dem Papier, um sie im nächsten Augenblick vielleicht schon wieder zu überzeichnen. Aus diesen Überlagerungen entstehen Verdichtungen, die Raum, Zeit und Bewegung in einem großen Kontinuum verschmelzen lassen. Der Vorgang des Zeichnens selbst geht äußert dynamisch vor sich, mit sicherem Blick und schneller Hand, vehement und mit Nachdruck, wie am Wirbel der Striche und Linien unschwer zu erkennen ist.

Neben weiteren Figuren, Skulpturen und Modellen aus unterschiedlichen Materialien, ist in einer der Kellernischen als Dauerschleife der mehrminütige Film „ps 30“ zu sehen. Für Zauner ein kleines Gesamtkunstwerk, da der Film über die Grenzen des eigenen Mediums hinaus mehrere Disziplinen zusammenbringt, dokumentiert er die Performance mit der Tänzerin Natalie Fend und Reiner Schuhenn an der Orgel inmitten der gleichnamigen Installation Zauners in der Johanniterkirche. Ebenfalls prominent platziert im Keller ist die zweiteilige Arbeit „verbinden“, als kleinere Version von „connected“. Außen mit leichter Kannelierung, ist das Innere der beiden zuerst geteilten und dann wieder zusammengefügten Teile glattgeschliffen, was Assoziationen an Fülle und Leere, Verbinden und Trennen, weich und hart weckt.

Albrecht Zauner hat „was ist“ mit Bedacht auf das Haus konzipiert, das er ob seiner Qualitäten als Ausstellungsraum, die einem white cube geradezu konträr entgegengesetzt sind, besonders schätzt und spielt in der Auswahl der Exponate mit der Helligkeit im Erdgeschoss und den dunkleren, fast mystischen Kellerräumen. Sein Ausstellungstitel stellt keine Frage. Vielmehr ist es ein höchst philosophisches, gelassenes und wertfreies Konstatieren und Annehmen des Ist-Zustandes. Für den Künstler selbst manifestiert sich in diesem schlichten „was ist“, gerade auch im „langsamen“ Medium der geliebten Bildhauerei, auch ein Anrennen gegen die immer zu kurze Zeit, als die Diskrepanz zwischen dem, was man will (Ideen) und dem, was ist (Zeit). Kunst bedeute, so Zauner, dem Wesentlichen, den Beziehungen (zu sich und den anderen), dem Leben an sich, eine Form zu geben. Was es ist? Es ist, was es ist – nicht mehr und nicht weniger.

Artikel in der Kultur Zeitschrift 12 24 / 01 25

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